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AutorenbildChristoph Fromm

Einfache Lösungen



Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen wird von vielen Seiten beklagt. Zurecht wird von Politiker*innen und Wissenschaftler*innen immer wieder betont, wie komplex und schwierig die Probleme in Wirklichkeit seien. Aber warum fehlt den meisten jede Lust, tiefer in die Materie einzutauchen, zuzugestehen, dass wirkliche Lösungen kompliziert und vielschichtig durchdacht werden müssen?


Wieso fehlt, einfacher ausgedrückt, die Lust an der Herausforderung?


Ein Grund ist mit Sicherheit die seit Jahrzehnten andauernde „Erziehung“ zu einfachen Lösungen. Wir werden mit Filmen und Fernsehserien überschüttet, in denen es nur noch eindimensionale, holzschnittartige Figuren gibt und mit den immergleichen platten Gut/Bösedramaturgien zugepflastert. In Videospielen wird intelligenzfreie Gewalt abgefeiert, es wird uns ständig eine Welt suggeriert, in der einfache Lösungen blendend funktionieren. Wie kann man dann erwarten, dass die Menschen in ihrem Alltagsleben offen sind für schwierige, komplexe Problemlösungen?


Zum einen ist diese Problematik das Ergebnis einer Kommerzialisierung um jeden Preis. Einfache Lösungen verkaufen sich besser, sie sind bequemer, man muss nicht viel nachdenken, wird mit den immer gleichen Scheinlösungen abgefüllt. Aber natürlich neigen Menschen mit einer Vorliebe für einfache Lösungen auch eher dazu, radikale Parteien zu wählen, die mit einfachen Scheinlösungen haussieren gehen. Der Fluch einer über Jahre restlos zerstörten Ästhetik verfolgt jetzt die Politik. Beispiele gefällig?

 

Der Ukrainekrieg: Seit über einem Jahr ist jedem einigermaßen intelligenten Menschen klar: Dieser Konflikt kann militärisch von der Ukraine nicht gewonnen werden. Mittlerweile ist ebenfalls eindeutig, dass die USA sich aus diesem Konflikt zurückziehen und die Europäer mit der militärischen Unterstützung hoffnungslos überfordert sein werden. Und obwohl man die Blaupause Afghanistan hat, wird hier weiter für immer mehr Waffen getrommelt und der Ukraine eine Nibelungentreue suggeriert, die fatal an die Allianz Donaumonarchie/Deutsches Reich im Ersten Weltkrieg erinnert. Natürlich ist die Einleitung einer diplomatischen Lösung äußerst schwierig und verlangt die Einbeziehung Chinas und möglicherweise Indiens, und selbstverständlich muss die Ukraine mit Waffen und Munition gestützt werden, bis es zu einem Waffenstillstand kommt, aber die scheinbar „einfache Lösung“, immer mehr Waffen zu Rückeroberung aller von den Russen besetzten Gebieten, die von einem Großteil der deutschen Politik und ca. fünfzig Prozent der Bevölkerung gefordert wird, wird ganz einfach zum Untergang der Ukraine führen.


Die schwierige Alternative bestünde darin, bereits während des noch laufenden Krieges mit Verhandlungen zu beginnen und sich mühsam zu einem Waffenstillstand vorzuarbeiten. Das würde allerdings voraussetzen, dass man beiden Seiten Angebote macht, die lukrativer sind als der jetzt laufende Krieg. Das ständig wiederholte Argument, mit einem Massenmörder wie Putin dürfe man nicht verhandeln, wird durch die Geschichte widerlegt. Mit Stalin, der zweifelsohne manche Ähnlichkeit mit Putin aufweist, haben klügere Politiker als diejenigen, die wir jetzt haben, auch erfolgreich verhandelt, und die Verträge haben gehalten.

 

Der Krieg in Gaza: Natürlich hat Israel das Recht, sich nach einem derart barbarischen Angriff zu verteidigen, aber mittlerweile sind wir bei ca. 25 000 toten Palästinenser*innen, und auch wenn man die Toten auf beiden Seiten nicht gegeneinander aufrechnen kann, hier ist jedes erträgliche Maß überschritten. Vor allem, da die scheinbar einfache Lösung: „Wir kämpfen bis zur Vernichtung der Hamas“ nicht funktionieren wird. Man kann eine Terrororganisation nicht dadurch vernichten, dass man massenhaft Zivilisten umbringt. Sehr viel mehr Sinn würden intelligente Kommandoaktionen machen, auch international, mit denen man versuchen müsste, die Führungsriege der Hamas zu treffen, die sich längst nicht mehr im Gazastreifen befindet.


Ebensowenig ist allerdings das wohlfeile Lippenbekenntnis zur Zweistaatenlösung realitätstauglich. Der realistische Weg bedeutet: Mühsamste Verhandlungen in die Wege leiten, auf beiden Seiten die Leute stärken, die an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind, dann Schritt für Schritt den Frieden erarbeiten. Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Palästinenser genau dieselben Rechte erhalten wie die Israelis.

 

Beispiel Energiewende: Mittlerweile hat glaube ich beinahe jeder begriffen, dass Sonnen- und Windenergie nicht umsonst sind. Allein der Ausbau der Netze wird ca. 500 Milliarden verschlingen. Auch hier müsste ein tragfähiger Stufenplan her: Was können wir uns leisten, was hat Priorität, wie versorgen wir uns mit einer grundlastfähigen Energie, bis wir ausreichende Speicherkapazitäten für Sonne- und Windstrom erfunden haben? Auch hier gibt es keine einfachen Lösungen. Das Märchen, dass die Energiewende „für eine Kugel Eis“ zu haben sei, sollte eigentlich ausgeträumt sein.


Beispiel Migration: Auch hier sind „einfache Lösungen“, wie massenhafte Abschiebung, schlicht unrealistisch. Niemand wird uns die Menschen abnehmen und man sollte sich, bei allen drängenden Problemen, schon fragen, welche Schicksale diese Menschen im Zweifelsfall erwarten würden. Deswegen müssen wir in Zukunft genau überlegen, wie viele Menschen wir sinnvoll hier integrieren können und dementsprechende Kontrollen an den Außengrenzen einrichten. Natürlich werden auch die teilweise umgangen werden, aber wir werden das Problem zumindest ein Stück weit in den Griff bekommen. Und natürlich müssen wir weiterhin Menschen, die sich in Seenot befinden, retten. Und wir müssen ganz klar zwischen Asyl- und Arbeitsmigration unterscheiden. Diese beiden Probleme zu vermischen und so zu tun, als könnten wir über die Asylsuchenden unsere Arbeitsmarktprobleme lösen, führt nur zu einer Verschleierung und damit Verschlimmerung des Problems.


Zusammengefasst: Wir müssen uns wieder angewöhnen, die unterschiedlichsten, teilweise sich widersprechenden Dinge gleichzeitig zu denken, wenn wir sinnvolle Lösungen finden wollen.

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