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AutorenbildChristoph Fromm

Feinde der Realität


Das Phänomen ist mir seit über zwanzig Jahren als Drehbuchautor bekannt: Produzent*innen und Redaktionen verweigern sich der Realität. Das, was an meinen Drehbüchern recherchiert und real war, wurde immer als erstes gestrichen. Begründung: Es sei zu grausam, der Zuschauer ertrage das nicht, die Figuren würden zu unsympathisch - folglich sei mit der Realität auch kein Quotenerfolg möglich.


Interessant wird diese Haltung im fiktionalen Bereich, da sie inzwischen mit einem von vielen Fachleuten beklagten Missstand in der Politik und Wirtschaft übereinstimmt: Auch hier wird ganz offensichtlich die Realität geleugnet, wenn sie sich nicht mit der voller Vehemenz vertretenen Ideologie in Übereinstimmung bringen lässt.


Beispiel Energiekrise: Obwohl alle ernst zu nehmenden Fachleute darauf hinweisen, dass der Umbau auf erneuerbare Energien Jahrzehnte dauern wird und wir Stand heute noch keine ausreichende Speichertechnologie zur Verfügung haben und somit für mindestens zwanzig Jahre eine Backup Energiequelle benötigen, wird von einem Großteil der Gesellschaft gerne weiterhin das Märchen geglaubt, das sei alles in wenigen Jahren machbar und koste auch so gut wie nichts, „da Sonne und Wind ja umsonst seien“.


Beispiel Ukrainekrieg: Die letzte Gespensterrunde bei Onkel Plasberg war wieder mal ein leuchtendes Beispiel. Da wird auf der einen Seite die Gefahr eines taktischen Atomschlags von Russland heruntergeredet mit der Begründung, Putin traue sich nicht, so etwas gegen den Willen Indiens und Chinas zu machen. Wenn das stimmt – und das hoffe auch ich – dann hätten auf der anderen Seite diese beiden Länder doch so viel Einfluss auf Putin, dass man mit Ihnen gemeinsam einen Verhandlungstisch aufmachen sollte, an dem natürlich auch die Ukraine, die USA und Europa sitzen müssten.


Davon ist aber keine Rede. Man bildet sich allen Ernstes ein, die Lieferung von Leopard-Panzern könne das Problem militärisch lösen – das Gegenteil wird der Fall sein. Der Krieg wird weiter eskalieren und es werden zigtausende weitere Menschen sterben. Trotzdem wird so etwas von einer sogenannten Militärexpertin unter Beifall mit den üblichen Textbausteinen vorgetragen.


Beispiel Energieversorgung: Unser Verhältnis zu Putin haben wir – im Gegensatz zu den Franzosen, die ebenfalls Sanktionen mittragen und die Ukraine mit Waffen unterstützen – so gestaltet, dass Putin uns das Gas abgedreht hat. Besonders hilfreich war da unsere Außenministerin, aber nicht nur sie allein. Auch der Rest der Ampel und die CDU sind sich weitestgehend einig: Gut so, denn mit dem Kriegsverbrecher Putin wolle man ohnehin nichts mehr zu tun haben.


Das hält unsere Regierung aber nicht davon ab, jetzt bei den Diktatoren und Kriegsverbrechern Saudi Arabien, Vereinigte Emirate und Katar dick einzukaufen – natürlich sehr viel teurer als vorher bei Putin.


Das kann man nur noch nachvollziehen, wenn man begreift, dass wir nach wie vor der Lakai der USA sind und die haben nun mal beschlossen: Putin soll entscheidend geschwächt oder am besten gleich ganz vernichtet werden. (Dass Deutschland sich dabei beide Beine wegschießen muss, wird zwar offiziell bedauert, aber inoffiziell sind die USA über den Niedergang eines Wirtschaftskonkurrenten sicherlich nicht sonderlich traurig).


Und die Saudis sind seit vielen Jahren gute Kumpel und Investoren in den USA. Wie sagte Rumsfeld so schön über Saddam: „He is a bastard, but he is our bastard.“


All diese Beispiele zeigen, welche verheerenden Folgen es hat, wenn in der Politik Moral – und im letzten Beispiel Doppelmoral - über Strategie gestellt wird, und wenn man versucht, eine Ideologie gegen physikalische und wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten durchzudrücken. Im Drehbuchbereich hat diese Haltung nicht nur zu unsäglich schlechten und langweiligen Büchern geführt, sondern auch zu einer Volksverdummung, die ganz offensichtlich den Boden dafür bereitet hat, dass viele Menschen jetzt bereitwillig politische und wirtschaftliche Märchen glauben.


Spätestens bei der nächsten Nebenkostenabrechnung werden aber ganz viele sehr schmerzhaft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden!

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