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AutorenbildChristoph Fromm

Israel, Palästina und die Proteste in Deutschland

Über Schuldgefühle, Halbwissen und andere gefährliche Einflussfaktoren


Ein Drahtzaun, Jerusalem im Hintergrund

Auch die Gerichte konnten sie nicht aufhalten: seit Anfang Mai haben Studierende der Ludwig-Maximilians-Universität München auf dem Professor-Huber-Platz ihre Zelte aufgeschlagen. Sie wollen auf die Tötung von Zivilisten im Gazastreifen hinweisen, so die offizielle Aussage. Eine der Gruppen, die dort ihre Flaggen gehisst hat, schreibt auf ihrer Internetseite: „Das Existenzrecht Israels muss konsequent in seiner jetzigen Form abgelehnt werden“. Auf einer Flagge im Camp heißt es: „Free Palestine from German Guilt“.

 

Der neu entfachte Nahostkonflikt spaltet die Menschen aktuell wie kaum ein anderes Thema. Bereits am ersten Tag des „Pro-Palästina-Protestcamps“ organisierte das Bündnis „München ist bunt“ einen Gegenprotest, an dem auch der bayerische Antisemitismus-Beauftragte, Ludwig Spaenle, teilnahm. Wie kommt das? Christoph Fromm hat eine Theorie.


 

Israels Politik: Was die Studierenden bei ihrer Pro-Palästina Protestaktion vergessen


Es ist erstaunlich, dass es vielen Student*innen so schwer fällt, die Unterscheidung

zwischen Antisemitismus und der durchaus legitimen Kritik an der Politik des Staates Israel zu treffen.

 

Israel geht bei seinem Recht auf Selbstverteidigung nach dem barbarischen Anschlag der Hamas viel zu weit, bei mittlerweile ca. 35.000 Opfern in Gaza muss man von Kriegsverbrechen sprechen.

 

Das hat aber nichts zu tun mit dem jüdischen Glauben, der international verbreitet ist und von Menschen aller Hautfarben praktiziert wird. Und man darf auch nicht vergessen, dass viele Israelis die Politik der Regierung Netanjahu sehr kritisch sehen und seine Ablösung fordern.


Der Konflikt ist 75 Jahre alt – diese Geschichte spielt eine große Rolle

 

Die Vorfahren dieser Menschen waren oft jahrhundertelang auf der Flucht, wurden vertrieben, ermordet und haben nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Holocaust, in Israel eine neue Heimat gefunden. Natürlich wurden bei der Gründung des Staates Israel auf beiden Seiten Fehler gemacht, die zu diesem mittlerweile 75 Jahre alten Konflikt geführt haben. Man kann diese Fehler aber nicht mehr rückgängig machen, man muss durch Kompromisse auf beiden Seiten eine Lösung aus der Sackgasse finden. Es braucht die hohe Kunst der Diplomatie und nicht die plumpen Scheinlösungen von Fanatikern.

 

„From the river to the sea” – Das kann auf keinen Fall die Lösung sein

 

Woher kommt es dann, dass auch viele deutschen Student*innen in den Ruf: „From the river to the sea, palestine must be free!“ einstimmen, der im Klartext bedeutet, dass Israel von der Landkarte getilgt werden soll? Abgesehen davon, dass es völlig weltfremd ist, die Atommacht Israel, die zusätzlich noch den Schutz der USA genießt, auszulöschen, es würde nur unendlich viel neues Unrecht auf altes Unrecht gehäuft.

 

„Deutsche Schuld“: Wie sie die Wahrnehmung im Land beeinflusst

 

„Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“ (Zvi Rex)

Dieser Satz ist zutiefst wahr. Die Schuld im kollektiven Unterbewusstsein der Deutschen ist so groß, dass auch die junge Generation sich nicht von ihr befreien kann. Stattdessen beschuldigt man jetzt Israel reflexhaft, ein Apartheidsstaat zu sein, eine „weiße Kolonialmacht“, die den „Genozid“ an den Palästinensern zu verantworten habe. Den Palästinensern ist in den vergangenen 75 Jahren viel Unrecht geschehen, das ist wahr, aber diese Anschuldigungen sind falsch und ein Spiegel deutscher Schuldgefühle.

 

Das Schicksal der Deutschen und der Israelis ist nicht nur durch den Holocaust eng verwoben, und meiner Ansicht nach hätte es die Gründung des Staates Israel ohne den Holocaust in dieser Form nie gegeben. Das Unrecht, das jetzt den Palästinensern widerfährt, liegt teilweise auch in deutscher Verantwortung. Deswegen sind wir besonders gefordert, die Dinge differenziert zu betrachten und konstruktive Kritik am Vorgehen Israels zu üben, keine weiteren Waffen zu liefern, sondern in Gespräche mit Israelis und Palästinensern zu treten, um an einer friedlichen Lösung dieses Konflikts zu arbeiten.

 

Von einem Erdgasfeld im Meer bis zur Zweistaatenlösung: Wie kann es weitergehen?

 

Wenn man jetzt allerdings Gerüchte hört, wonach es vor Gaza ein gigantisches Erdgasfeld im Meer geben soll, das die Israelis US- und deutschen Konzernen versprochen haben, falls man sie weiter unterstützt, so ist der Glaube an eine faire Lösung nur schwer aufrecht zu erhalten.

 

Die von vielen propagierte Zweistaatenlösung auf der Westbank wird in der Praxis kaum umzusetzen sein, denn sie würde bedeuten, dass die israelische Armee die Westbank gewaltsam von israelischen Siedlern befreit. Das würde zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen.

 

Sollte es dieses ominöse Erdgasfeld tatsächlich geben, dann könnte man mit seiner Erschließung zumindest den Gazastreifen neu aufbauen. Möglicherweise muss man rund um den Gazastreifen den Palästinensern zusätzliches Land anbieten. Das würde allerdings voraussetzen, dass eine demokratische Zivilgesellschaft unter den Palästinensern entsteht (möglicherweise unter UN-Mandat), die sich rigoros von der Hamas lossagt.

 

Krieg ist nicht die Lösung

 

Alles hochschwierige Probleme. Sie in Verhandlungen anzugehen ist aber allemal besser, als den Krieg in Gaza über Jahre fortzusetzen. Die Entmachtung der Hamas wird nur dadurch gelingen, dass sie die Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung verliert, nicht durch Waffengewalt, und schon garnicht durch einen konventionellen Krieg.   

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