Neutralität in Krisenzeiten – eine Illusion?
- Christoph Fromm
- 4. Juli
- 2 Min. Lesezeit

In Österreich und der Schweiz wird immer wieder heiß debattiert: Können wir uns in Zeiten zunehmender Kriege die Neutralität noch leisten? Wer schützt uns, falls es einem Diktator wie Putin plötzlich einfallen sollte, über uns herzufallen?
Finnland und Schweden fühlten sich immerhin so bedroht, dass sie beschlossen, der NATO beizutreten. Dazu ist zu sagen, dass natürlich die Situation jedes Landes singulär zu betrachten ist. Man kann die Lage der Schweiz nicht mit der von Finnland vergleichen, das eine 1.000 Kilometer lange Grenze mit Russland hat.
Der finnländische Premier Stubb geht mit der Situation seines Landes vergleichsweise vernünftig um. Er will nach einem Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland die Beziehungen mit Russland so rasch wie möglich normalisieren.
Die baltischen Staaten reagieren da wieder anders; sie sind auf Grund ihrer Geschichte höchst besorgt. Und sie müssen natürlich damit rechnen, dass unter einer Regierung Trump die USA wegen des Baltikums keinen Weltkrieg riskieren würden. Doch niemand verhält sich derart hysterisch wie die geladenen Pressevertreter_innen in deutschen Talkshows. Dort wird mittlerweile als Tatsache gehandelt, dass Putin vorhabe, falls er die Ukraine besiege, anschließend ins Baltikum einzumarschieren und, wenn möglich, bis nach Berlin.
Es scheint in diesen Shows außerdem längst ausgemacht, dass Putin und sein Regime noch viel schlimmer seien als das der UDSSR. Die haben ja „nur die Kubakrise verursacht, Aufstände in der DDR, Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei blutig niedergeschlagen“. Man fragt sich wirklich langsam, ob all diese Leute komplett den Verstand verloren haben.
Auf einer solchen Argumentationsbasis lässt sich keine vernünftige Aufrüstung organisieren, wegen dieser Hysterie wird planlos unglaublich viel Geld zum Fenster rausgeworfen, und das ist natürlich vor allem im Interesse der Rüstungsindustrie. Wer auch nur anmahnt, wie Herr Bartsch oder Herr Stegner, dass man dem Beschaffungsamt in Koblenz kritisch auf die Finger sehen müsse, wird bereits als Putinknecht und Vaterlandsverräter gebrandmarkt.
Deutsche Rüstungsfirmen ziehen jetzt Betriebe in der Ukraine hoch. Diese Kooperation zieht uns natürlich noch tiefer in den Konflikt. Merz hat bereits zwei Wahlversprechen gebrochen (Schuldenbremse und Stromsteuer). Hoffentlich wird „wir werden nicht Kriegspartei“ nicht Nummer drei.
Die aufgeladene Stimmung in diesem Land macht nicht nur mir Angst. Man wird das Gefühl nicht los, hier wird mit sehr viel Geld nicht nur auf planlose Aufrüstung gesetzt, hier wird auch mit sehr viel Geld die Stimmung in der Bevölkerung immer weitergedreht und aufgeheizt. Ein NATO-Austritt und ein neutrales Deutschland sind in der gegenwärtigen Situation natürlich eine gefährliche Illusion. Und natürlich muss man die Ukraine weiter mit Waffen unterstützen, was aber nicht bedeutet, dass man Waffen in der Ukraine produzieren muss.
Kann man sonst wirklich nichts tun? Angeblich wird ja bereits dauernd erfolglos mit Putin verhandelt. Was wäre etwa, wenn die Ukraine und der Westen die Initiative ergreifen und Putin die vier Oblaste überlassen würden? Dann könnte man sehr schnell feststellen, wer Recht hat: Diejenigen, die sagen, Putin begnügt sich damit oder diejenigen, die behaupten, er marschiert weiter. In jedem Falle könnte man so unter Umständen sehr viele Menschenleben retten.
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