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Das Ende des Henkers

Fortsetzung des Beitrags „Reinhard Heydrich – Der Henker“ (30. April 2021)

Reinhard Heydrich spielte in der sogenannten „Reichskristallnacht“ eine besonders perfide Rolle, denn er war neben der Organisation dieser Aktion auch mit der Aufgabe betraut, größere Schäden möglichst zu verhindern. So verfügte er beispielsweise, dass im angeblichen Volkszorn nur Synagogen anzuzünden seien, bei denen keine Brandgefahr für deutsche Häuser bestünde. In einem Telegramm Heydrichs bezüglich der „Maßnahmen gegen Juden in der heutigen Nacht“ heißt es:

Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (zB. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist). Döscher, Hans-Jürgen, “Reichskristallnacht”, Die Novemberpogrome 1938, München, 2000

Weiter schreibt er:

Sobald der Ablauf der Ereignisse dieser Nacht die Verwendung der eingesetzten Beamten hierfür zulässt, sind in allen Bezirken so viele Juden – insbesondere wohlhabende – festzunehmen, als in den vorhandenen Hafträumen untergebracht werden können. Es sind zunächst nur gesunde, männliche Juden nicht zu hohen Alters festzunehmen. Nach der Durchführung der Festnahme ist unverzüglich mit den zuständigen Konzentrationslagern wegen schnellster Unterbringung der Juden in den Lagern Verbindung aufzunehmen. Döscher, Hans-Jürgen, “Reichskristallnacht”, Die Novemberpogrome 1938, München, 2000.

Zudem lieferte er nach dem 9. November 1938 die Lösung für ein Problem der Versicherungen, die sich nach der Nacht massiv beschwerten, da sehr viele jüdische Menschen ihre Glas- und Sachschäden an die Versicherung meldeten und einen Anspruch auf Schadensübernahme hatten. Nach den damaligen Schätzungen der Feuer-, Einbruchdiebstahl- und Glasversicherer betrugen die grundsätzlich versicherten Sachschäden immerhin rund 45 Millionen Reichsmark.

Am 12. November 1938 trat die „Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben“ in Kraft, in der festgesetzt wurde, dass


„Versicherungsansprüche von Juden deutscher Staatsangehörigkeit […] zugunsten des Reichs beschlagnahmt“ werden. Zudem wurde der jüdischen Bevölkerung eine, an Dreistigkeit kaum zu überbietende, eine „Sühneleistung“ in Höhe von einer Milliarde Reichsmark auferlegt. In der „Durchführungsverordnung über die Sühneleistung der Juden“ vom 21. November 1938 heißt es schließlich in § 7, dass die Schäden sofort selbst zu beheben, die Kosten für die Wiederherstellung selbst aufzubringen und die Zahlungen aus Versicherungsansprüchen an das zuständige Finanzamt abzuführen seien. Dieser grausame Schachzug, der der Jüdischen Bevölkerung in wenigen Zeilen eine doppelte finanzielle Belastung auferlegte, trägt unverkennbar Heydrichs zynische Handschrift.


Das nächste, von Heydrich angestrebte Ziel der Judenpolitik war die Auswanderung der Juden aus dem Deutschen Reich. Wohlgemerkt auch aus dem Gebiet, das erst noch erobert werden musste. Zu diesem Zweck unterschied man zwischen momentanem Lebensgebiet und zukünftigem Lebensraum, die aber beide von der jüdischen Bevölkerung „gesäubert“ werden sollten. Bei der Organisation der Auswanderung bewies Heydrich erneut Scharfsinn, indem er verfügte, die wohlhabenden Juden müssten selbstverständlich für die Kosten der Auswanderung weniger wohlhabender Juden aufkommen.


Die von diesem perfiden Plan betroffenen Menschen wurden in strenger Ordnung kategorisiert, wobei man zunächst zwischen „Glaubensjuden“ und „Juden nach rassischen Grundsätzen“ unterschied. Auch die familiäre Abstammung wurde katalogisiert, wobei Kinder eines jüdischen Elternteils und eines deutschen Elternteils als „Mischlinge 1. Grades“, deren Kinder wiederum als „Mischlinge 2. Grades“ eingestuft wurden. Diese „Mischlinge 2. Grades“ waren vorerst Deutschen Bürgern gleichzustellen, außer sie erfüllten eine der folgenden Bedingungen, infolgedessen sie den Juden gleichzustellen seien:


a) Herkunft des Mischlings 2. Grades aus einer Bastardehe (beide Teile Mischlinge) b) Rassisch besonders ungünstiges Erscheinungsbild des Mischlings 2 . Grades, das ihn schon äußerlich zu den Juden rechnet c) Besonders schlechte polizeiliche und politische Beurteilung des Mischlings 2. Grades, die erkennen lässt, dass er sich wie ein Jude fühlt und benimmt (Quelle: Protokoll der Wannsee-Konferenz)


Eine diesbezügliche Beurteilung lag rein in der Macht des zuständigen Beamten, sodass man als aufgrund eines „jüdischen Aussehens oder Benehmens“ zur Auswanderung gezwungen wurde.

Das waren Unterscheidungen, die nicht nur juristisch, sondern natürlich vor allem moralisch und menschlich an Perversion eigentlich nicht mehr zu überbieten waren. Christoph Fromm – Stalingrad Podcast Folge 53

Reinhard Heydrich wurde im September 1941 zum Reichsprotektor von Böhmen und Mähren ernannt, nachdem er seinem Vorgänger Unzuverlässigkeit unterstellte und ihn beurlauben ließ, und sollte dort für Ordnung sorgen und die Wirtschaft ankurbeln. Übersetzt bedeutet das, er organisierte die wirtschaftspolitische Ausbeutung Tschechiens und ließ das Konzentrationslager Theresienstadt errichten. In seiner Antrittsrede verkündete er:

Ich brauche also Ruhe im Raum, damit der Arbeiter, der tschechische Arbeiter, für die deutsche Kriegsleistung hier vollgültig seine Arbeitskraft einsetzt. Dazu gehört, dass man den tschechischen Arbeitern natürlich das an Fressen geben muss […], dass er seine Arbeit erfüllen kann. […] Wir werden voraussichtlich, […] zu einer Erhöhung der Fettrationen bei den tschechischen Arbeitern kommen, die etwa um 400 Gramm herum liegt. Heydrichs Antrittsrede

Wie in so vielen Fällen war Heydrich ein Meister darin, die mindestmöglichen Kosten zu bestimmen, welche eine maximale Ausbeutung ermöglichten, und diese als gnädiges Zugeständnis seiner selbst zu inszenieren. Am 11. Dezember 1941 erklärte Hitler den USA den Krieg, als Folge auf den Überfall von Pearl Harbor, womit er indirekt das Schicksal des Dritten Reiches besiegelte, das unmöglich an allen Fronten zugleich hätte siegen können.

Es scheint so zu sein, dass da bei Hitler ein Gefühlt entstanden ist, er kann das nicht mehr gewinnen und er steuert jetzt mit aller Kraft in den Untergang. Christoph Fromm – Stalingrad Podcast Folge 53

Im selben Zuge wurde Heydrich von Göring beauftragt, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine „Gesamtlösung der Judenfrage“ zu treffen, also in finanzieller, organisatorischer und verwaltungstechnischer Hinsicht. Heydrich unternahm verschiedene Inspektionsreisen, prüfte unterschiedliche Verfahren der Ermordung, sorgte in diesem Zusammenhang für eine Beschleunigung der Ermordungen gerade auch bei Frauen und Kindern und lud schließlich zunächst zum 9. Dezember 1941, dann zum 20. Januar 1942 wie folgt zu einer Konferenz ein:

In Anbetracht der außerordentlichen Bedeutung, die diesen Fragen zuzumessen ist und im Interesse der Erreichung einer gleichen Auffassung bei den in Betracht kommenden Zentralinstanzen an den übrigen mit dieser Endlösung zusammenhängenden Arbeiten rege ich an, diese Probleme zum Gegenstand einer gemeinsamen Aussprache zu machen […]. Ich lade Sie daher zu einer solchen Besprechung mit anschließendem Frühstück zum 9. Dezember 1941, 12:00 Uhr in die Dienststelle der Internationalen Kommission, Berlin, am Wannsee Nr.56-58 ein. Heydrichs Einladung zur Wannseekonferenz an Unterstaatssekretär Luther

Eingeladen wurden neben Josef Bühler, Adolf Eichmann und Roland Freisler weitere Staatssekretäre, Ministerialdirektoren und Kommandeure des SD. Keiner dieser Männer hatte auch nur ansatzweise Zweifel an der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“. Im Protokoll der Wannsee-Konferenz heißt es:


„Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist.“

Das raubt einem immer noch fast den Atem, wenn man das liest. Christoph Fromm – Stalingrad Podcast Folge 53

Es erscheint wenig Verwunderlich, dass Heydrichs Verhalten den Alliierten Anlass gab, seine Ermordung zu planen. So erfolgte am 27. Mai 1942 die „Operation Anthropoid“ durch die beiden tschechischen Soldaten Jozef Gabčík und Jan Kubiš, die gezielt für diesen Einsatz ausgebildet worden waren. Sie wurden am 29. Dezember 1941 von einem britischen Halifax-Bomber östlich von Pilsen mit Fallschirmen abgesetzt und gelangten nach Prag, wo sie die Gewohnheiten Heydrichs über mehrere Monate studierten und einen passenden Ort für das Attentat wählten. Bewaffnet waren sie mit Sten-Gun-Maschinenpistolen und eine aus speziellem Sprengstoff gefertigten Handgranate mit hoher Explosivkraft. Sie positionierten sich in einer Kurve und warteten auf Heydrichs Wagen. Heydrichs Fahrer bremste vor der Kurve ab und Gabčík wollte diesen Moment nutzen, hatte aber Ladehemmungen. Dann unterlief Heydrich ein fataler Fehler, denn er ging davon aus, es handle sich um einen Einzeltäter, weshalb er dem Fahrer befahl, anzuhalten und seine Dienstpistole zog.


Kubiš warf seine Handgranate, welche aber unglücklicherweise vom rechten Hinterrad des Wagens abprallte, doch immerhin explodierte. Heydrich sprang aus dem Wagen, versuchte zu schießen und brach schwer verletzt zusammen. Er wurde erst nach einiger Zeit gefunden und hatte eine zertrümmerte Rippe, einen Zwerchfellriss und Splitter der Granate in der Milz. Zudem erlitt er vermutlich eine Bauchfellentzündung, die durch Teile des Rücksitzes verursacht wurde, die sich durch die Explosion in seinem Körper befanden. Diese bleib unentdeckt und führte nach der ansonsten komplikationslosen Operation zu einer plötzlichen Verschlechterung seines Zustandes mit hohem Fieber und einer Sepsis. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht vollständig geklärt, doch einige Historiker vermuten, Heydrich hätte vermutlich überlebt, sofern Penicillin zur Verfügung gestanden hätte. Das war jedoch wohl nicht der Fall und er fiel ins Koma und starb am 4. Juni 1942.


Posthum wurde er zum Märtyrer erklärt. Die Nationalsozialisten gründeten die Reinhard-Heydrich-Stiftung und gaben eine Sondermünze zu seinen Ehren heraus. Die Attentäter wurden brutal verfolgt. Die deutschen Besatzungstruppen spürten mehrere Häuser tschechischer Widerstandskämpfer auf, darunter das Haus der Familie Moravec. Während der Durchsuchung nahm sich Frau Moravec mit Zyankali das Leben, ihr Mann und Sohn wurden verhört und gefoltert. Herr Moravec gab nichts preis, doch dem Sohn Ata wurde während des Verhörs der in einem Glas eingelegten Kopf seiner Mutter präsentiert und ihm wurde gedroht, den Kopf seines Vaters dazu zu stellen. Daraufhin brach er zusammen und verriet das Versteck der Attentäter. Diese hielten sich in einer Kirche versteckt, die in den frühen Morgenstunden des 18. Juni 1942 von 800 SS-Männern großflächig abgeriegelt wurde, um sie zu stürmen. Nach einem zweistündigen Feuergefecht und dem Eindringen des deutschen Kommandos in das Kircheninnere waren bereits drei Attentäter, darunter Kubiš, tot. Gabčík war mit den letzten drei Überlebenden in die Krypta geflüchtet, die mit Tränengas und Wasser geflutet wurde. Daraufhin nahmen sich alle noch lebenden Attentäter das Leben.


Diese grausame Art der Vergeltung war für das Dritte Reich noch nicht genug und es kam, um den Tod dieses erbarmungslosen und absolut abscheulichen Menschen zu rächen, am 9. und 10. Juni 1942 zum Massaker der willkürlich ausgewählten Orte Lidice und Ležáky. In Lidice wurden 173 Männer erschossen und 195 Frauen in das KZ Ravensbrück deportiert. Die Kinder wurden nach rassischen Kriterien beurteilt, wobei 17 Kinder der Organisation Lebensborn übergeben und 82 Kinder vergast wurden. Der Ort Lidice wurde in Brand gesteckt, gesprengt und dann eingeebnet, um es vollständig von der Landkarte zu tilgen. Wenige Tage später wurden Ležáky von 500 Mann gestürmt und die 47 Einwohner des Dorfes erschossen. Von den 13 Kindern Ležákys wurden 2 dem Lebensborn übergeben und die übrigen 11 wurden zusammen mit Kindern aus Lidice im Vernichtungslager Kulmhof vergast. Das Dorf wurde in Brand gesteckt. Die Ruinen wurden Ende 1943 restlos beseitigt. Ležáky wurde nie wieder aufgebaut.

Heydrich war ein furchtbarer Facharbeiter des Todes, ein schrecklicher Organisator der Vernichtung, ein Manager des Grauen, aber er war kein Gott! Christoph Fromm – Stalingrad Podcast Folge 53
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