– oder ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein hoffnungsloser Fall?
Eigentlich schaue ich, wie die meisten meiner Bekannten, kaum noch deutsches Fernsehen. Neulich, im Urlaub, habe ich es mal wieder getan. Wahrscheinlich gedacht, mit lustigen, schwedischen Untertiteln ließe es sich leichter ertragen. Dem war nicht so. Ein historischer Mehrteiler von 2020, „Die wunderbaren Jahre“, ein Stück der Ufa-Fiction und Degeto über die Fünfziger, ein sogenanntes sündteures „Highendkonzept“, wie man das heutzutage nennt.
Fazit: Es war ein groteskes Desaster, holzschnittartige Figuren, eine unglaubwürdige Katastrophe jagt die nächste, die Dialoge befinden sich auf dem Niveau billigster Kalendersprüche. Und das war nicht RTL oder Sat1, hier zeichnet der WDR verantwortlich, der mal Redakteure wie Wolf-Dietrich Brücker besessen hat und jetzt zu einer Niveaulosigkeit verkommen ist, die sich in nichts mehr von den allerschlimmsten Pilcher-Verfilmungen unterscheidet.
Emanzipation sieht in diesem Film so aus: Bevor das weibliche Familienoberhaupt ankündigt, selbst die Firma zu übernehmen, trägt sie das erste Mal einen Hosenanzug. Geht´s noch platter und dümmer?
Das Traurige ist, diese Sendung ist kein Einzelfall, sondern seit Jahren die Regel und so ein Stück erhält dann in weiten Teilen des Feuilletons auch noch gute Kritiken.
Und in fast allen Filmen wird die Liebe als allein seligmachendes Mittel zur Lösung aller Probleme und Konflikte propagiert. Damit wird philosophisches und gesellschaftskritisches Denken durch Schlagertext ersetzt.
Was ist hier geschehen? Alleine mit Dilletantismus ist das nicht mehr erklärbar. Es führt aber genauso in die Irre anzunehmen, dass es in diesem Land eine Kaste von Oberbösen gibt, die gezielt versuchen, mit diesem Programm die Bevölkerung zu verblöden um sie bereit für Krieg und Untergang zu machen. Nein, es ist viel schlimmer: Die allermeisten der heutigen Medienschaffenden erschaffen ihr Teufelswerk mit völlig reinem Gewissen, ja, in der tiefen Überzeugung, hier ein Qualitätsprogramm abzuliefern. Es ist das passiert, was Richard David Precht die Selbstangleichung der Medien nennt, und das bedeutet auch: Man gelangt nur in den Kreis der auserwählten Medienschaffenden, wenn man exakt die Ästhetik, die Inhalte, die platten Gut/Bösedramaturgien vertritt, die dort gefordert werden. Und das trifft leider nicht mehr alleine auf den Fiction-Bereich zu, dazu zählt auch die Kriegsberichterstattung über den Krieg in der Ukraine. Wer anders erzählen oder berichten will, wird solange abgelehnt, bis er sich entweder anpasst oder aufgibt. Kritik wird totgeschwiegen, weggelächelt, und wenn es gar nicht mehr anders geht, schön geredet.
Beliebteste Taktik: Man stellt den Kritiker in die rechte Ecke, setzt ihn mit der AfD gleich, die ja auch ständig die Medien kritisiert und die Gebühren abschaffen will.
Diese Taktik wird auf das Übelste nach hinten losgehen, denn immer mehr Menschen sehen, dass die Kritik an den Medien absolut berechtigt ist, einige übersehen dabei leider, dass die Gründe und Ziele der AfD hochgefährlich sind und in die Diktatur führen. Die Situation ist vergleichbar mit Weimar, wobei vergleichen ausdrücklich nicht gleichsetzen bedeutet: Auch die Weimarer Republik war von eklatanten politischen Fehlern geprägt, auf die die Nationalsozialisten natürlich freudig aufmerksam machten und letztendlich war die Wut der Bürger über das Versagen der demokratischen Parteien so groß, dass sie verhängnisvollerweise die Diktatur vorzogen.
Soweit sind wir glücklicherweise noch lange nicht. Wenn jetzt aber nach BR und NDR auch der RBB seinen großen Skandal hat und eine weitere korrupte Intendantin entlarvt wird, so kann das nicht länger als bedauernswerter Einzelfall abgetan werden. Das gesamte System der öffentlich-rechtlichen Medien müsste gründlich hinterfragt werden. Die Selbstherrlichkeit, der Dilettantismus, die völlige Ausblendung der Realität, die sich dort in den letzten Jahren eingeschlichen hat, müssten nachhaltig korrigiert werden. Dazu müssten allerdings die Strukturen aufgebrochen werden. Es gibt im Augenblick vier große Firmen (Ufa-Fiction, Degeto, Constantin, Studio Hamburg), die nahezu alles in Deutschland produzieren. Kleinere Firmen sind zu 95% Tochterfirmen dieser Konzerne und es überrascht wenig, dass an der Degeto und an Studio Hamburg die Sender massiv beteiligt sind. Längst gibt es auch ein fröhliches Wechselspiel zwischen den Konzernen und Sendern: Da wird der eine Producer mal eben Redakteur, die andere Redakteurin versucht sich als Producerin. Das heißt, die Macht konzentriert sich in viel zu wenigen Händen.
Viel wichtiger aber noch wäre eine grundsätzlich andere Haltung der Sender gegenüber den Kreativen: Die Sender müssten sich endlich wieder als Dienstleister der Kreativen verstehen, eigenwillige, ja auch schwierige Persönlichkeiten fördern, denn die machen fast immer auch die besseren Filme. Davon sind wir Lichtjahre entfernt. Den letzten Studentenjahrgang, in dem so etwas wie revolutionärer Geist zu spüren war, habe ich 2011 an der Filmakademie Baden-Württemberg erlebt. Mittlerweile erfüllt die Mehrzahl der Studenten bereitwilligst die Anforderungen der Ufa-Fiction, die dort vor allem Erfüllungsgehilfen für Serienprodukte wie „In aller Freundschaft“ oder „Charite‘“ heranziehen will.
Da wundert es nicht, dass Drehbuchstudenten in Zukunft auch noch aufgefordert sind, während ihrer Ausbildung Werbetexte zu schreiben. Hier schließt sich ein verhängnisvoller Kreislauf, und das mit öffentlichen Geldern!
Was also tun? Von der Politik oder aus den Sendern heraus ist keinerlei Hilfe zu erwarten, an die Selbstreinigungskräfte dort glaube ich schon lange nicht mehr. Die Kreativen sind gelähmt vor Angst, jeder befürchtet, bei nur einem Wörtchen Kritik nicht mehr beschäftigt zu werden. Sind wir dem weiteren Verfall also hilflos ausgeliefert? Nein! Jeder von uns muss sich erstmal selbst helfen: Lasst euch nicht länger verblöden, boykottiert den Schwachsinn, besorgt euch intelligenten Content! (Wer einmal eine Folge von „Better call Saul“ gesehen hat, weiß sofort, wie gnadenlos schlecht das deutsche Fernsehen ist!)
Schließt euch zu basisdemokratischen Gruppen zusammen, leistet Widerstand, erhebt eure Stimme! Dieses Land kann sich nur verändern, wenn jeder von uns, jeder an seinem Platz, aktiv wird! Und dazu gehört auch, eine Gegenkultur, eine Independantkultur aufzubauen. Dieses Land braucht Underground, dieses Land braucht Widerstand! Basisdemokratisch und international! Lasst nicht zu, dass die Rechten Begriffe wie Freiheit und Gerechtigkeit besetzen. Das wäre fatal.
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