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Idealismus und Politik


Kaum jemand zweifelt noch daran: Die deutsche Politik der letzten Monate ist ein Desaster: Inflation, unbezahlbare Energiepreise, die Sanktionen weitestgehend wirkungslos oder kontraproduktiv. Russland droht, den Ukrainekrieg zu gewinnen, trotzdem sind EU-Erweiterungen geplant.


Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal an ein Interview mit Helmut Schmidt erinnern, der 2015 sagte: „Es ist töricht, die EU immer weiter nach Osten auszuweiten, das wird uns in ernsthafte Konflikte mit Russland führen.“ Er fügte sinngemäß noch hinzu: „Immer mehr Staaten führen zu immer mehr Chaos. Die EU sollte sich lieber auf eine funktionierende Struktur verständigen.“


In anderem Zusammenhang sagte er auch: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“

Es ist exakt dieser angelsächsische, hier hanseatische Pragmatismus, der in der Politik erfolgversprechend wäre.


Im Gegensatz dazu hat sich in Deutschland jetzt aber eine neue Politikergeneration auf den Weg gemacht, die von Idealen getrieben scheint: Eine gerechte Welt, Geschäfte nur mit lupenreinen Demokraten, der zweifelsfrei brutale Diktator muss für seinen Angriffskrieg bestraft werden, ebenso die zweifelsfrei skrupellose Diktatur in China für ihre Menschenrechtsverletzungen.


Aber: Geschäfte und Bündnisse mit den USA, die gerade das Recht auf Abtreibung gekippt haben, sind wohlfeil, ebenso mit Khatar, Saudi-Arabien, und sogar die Türkei darf NATO-Mitgliedsland sein.


Lassen wir mal die Doppelzüngigkeit dieser Moral beiseite und tun wir so, als hätten wir es hier mit ernsthaften Idealisten zu tun. Wenn man Habeck und Baerbock unterstellt, dass ihre moralischen Forderungen ehrlich sind, kann man sich trotzdem des Eindrucks nicht erwehren, dass sich hinter ihrem Idealismus ein unbedingter Machtanspruch verbirgt: „Wir wollen, dass es auf dieser Welt nur noch gerecht und gut und klimaneutral zugeht. Dafür setzen wir nötigenfalls auch Waffen ein, dafür muss unsere Bevölkerung Armut in Kauf nehmen.“


Diese idealistischen Ansätze sind irrational und deswegen hochgefährlich.

Sie werden sich, das zeigt die Geschichte, auch nicht mit Gewalt und Radikalität durchsetzen lassen, sondern sie werden Gewalt und Radikalität erzeugen. Idealisten und Moralisten sind in der Politik immer krachend gescheitert, und sie haben häufig viele andere mit in den Abgrund gerissen. Dafür gibt es, nicht nur im Verlauf der französischen Revolution, viele traurige Beispiele. Um nicht missverstanden zu werden: Der Umbau auf nicht-fossile Energien ist notwendig. Aber er muss in einem vernünftigen, bezahlbaren Tempo erfolgen. Und man sollte erst dann eine alte Energiequelle aufgeben, wenn eine neue zuverlässig zur Verfügung steht. Das sollte eigentlich eine Binsenweisheit sein.


Da wir keine diplomatische Lösung für den Ukrainekonflikt gefunden haben, ist uns die Gasversorgung weggebrochen – wir brauchen jetzt vernünftige, pragmatische Lösungen, und da darf es keine Tabus geben, auch nicht – übergangsweise - die der Kernkraft.

Wir müssen jetzt schnellstmöglich, gemeinsam mit China und Indien, eine Verhandlungslösung mit Putin finden. Alle moralische Entrüstung, so berechtigt sie ist, bringt uns keinen Schritt weiter. Wir müssen endlich auch das drängendste Problem, die Überbevölkerung, offen ansprechen und friedliche Lösungen suchen, ansonsten werden die „Umstände“ zu weiteren Seuchen und Kriegen führen, gegen die die jetzt wütenden noch vergleichsweise harmlos sind.

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