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J.D. Vance

Autorenbild: Christoph FrommChristoph Fromm

Die Rede von Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz als „wirr“ zu bezeichnen ist eine gefährliche Unterschätzung und fällt als intellektuelles Armutszeugnis auf diejenigen zurück, die so etwas sagen.

 

Denn: Die Rede war glasklar, gut strukturiert und besitzt die eindeutige Aussage, dass das Demokratieverständnis von Vance und seinen Gesinnungsgenossen ein ganz anderes ist als unseres. Vance denkt so vermeintlich libertär, das heißt Freiheit steht für ihn vordergründig an erster Stelle. Was aber bedeutet Freiheit?

 

Die Erlaubnis, dass Milliardäre mit ihren Internetplattformen nach Belieben die öffentliche Meinung beeinflussen dürfen, auch mit Fake News? Dass eine echte, starke Demokratie auch Hass und Hetze aushalten muss, ohne gerichtlich dagegen vorzugehen? Hier die rechtsstaatlichen Grenzen zu ziehen ist schwierig und diese Grenzen zu kontrollieren, noch schwieriger.

 

Freiheit endet da, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. Doch ab welchem Punkt trifft das zu? Jede Gesellschaft hat das Recht, dies souverän für sich zu entscheiden und es wäre eine interessante Diskussion mit Vance, wo für ihn die Grenzen zu ziehen sind. Vor allem, da sein Freiheitsbegriff gerade droht, die amerikanische Gewaltenteilung zu beschädigen. Freiheit darf nicht mit Rücksichtslosigkeit verwechselt werden, nicht mit dem Recht des Stärkeren.

 

Was heißt das für die Ukraine? Hier muss man ganz klar sehen, dass Wunsch und Wirklichkeit der Europäer weit auseinander klaffen. Ohne die militärische Unterstützung der USA kann Europa die Ukraine nur sehr bedingt wirksam unterstützen. Das sagen alle einigermaßen seriösen Fachleute. Das heißt, man muss hoffen, dass Putin sich mit dem großzügigen Angebot Trumps (die eroberten Gebiete verbleiben bei Russland, keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine) zufrieden gibt.

 

Falls nicht, kann man die Ukraine vernünftigerweise mit weiteren Waffenhilfen unterstützen. Bei der Stationierung einer europäischen Friedenstruppe von ca.

150 000 Soldaten entlang einer über 2000 Kilometer langen Grenze ist zu fragen: Welche europäischen Mütter und Väter sind bereit, ihre Söhne und Töchter dafür zu opfern? Bei einem erneuten Zwischenfall an der russisch/ukrainischen Grenze befände sich Europa automatisch im Krieg mit Russland. Wollen wir das? Das ist eine absolut existenzielle Frage und möglicherweise müsste es darüber eine Volksabstimmung geben. Übrigens ebenso wie über die EU-Mitgliedschaft der Ukraine, in der eine Beistandsverpflichtung im Kriegsfall enthalten ist.

 

Ich fürchte, Europa hat mit der Sicherung seiner NATO-Grenzen in den folgenden Jahren genug zu tun und sollte sich dem Risiko, durch die Ukraine in einen Krieg mit der Atommacht Russland verwickelt zu werden, nicht aussetzen. Das ist die bittere Wahrheit. Mindestens ebenso wichtig wie Waffenlieferungen an die Ukraine wäre außerdem, wie ich immer betone, eine geschickte Diplomatie mit Russland. Aber dafür bräuchte man Politiker wie unseren früheren Außenminister Genscher, und die sind leider aktuell nicht in Sicht.

 

Ein letzter zentraler Punkt in der Rede von Vance ist die Forderung nach der Abschaffung der Brandmauer. Laut Vance sollte sich eine starke Demokratie auch nicht vor Radikalen fürchten und nicht den Wählerwillen von Millionen ignorieren. Doch das ist ein heikler Punkt. Denn die größte Schwäche der Demokratie liegt darin, dass sie sich durch entsprechende Mehrheitsverhältnisse selbst abschaffen kann. Dem könnte man nur mit einem Verbot der AFD begegnen, und dann wäre davon auszugehen, dass sich die 20 Prozent der Wähler in einer neuen, ähnlich radikalen Partei wiederfinden.

 

Nein, das einzige wirksame Rezept meiner Ansicht nach ist, eine Politik zu realisieren, bei der sich die Mehrheit der Wähler in den eindeutig demokratischen Parteien wiederfindet. Dazu gehört auch, dass man die Sorgen und Nöte der AFD-Wähler ernst nimmt und sie nicht pauschal als „Nazis“ abqualifiziert. Und dazu gehört auch ein souveräner Umgang mit den eigenen Standpunkten. Das heißt, um glaubwürdig zu bleiben, muss man Gesetzesvorhaben, die man für richtig hält, unabhängig vom Abstimmungsverhalten der AFD machen. Es kann nicht sein, dass die AFD Gesetze blockieren kann, nur weil sie droht, dafür zu stimmen.

Auf der anderen Seite ist die Unterstützung der AFD durch Vance natürlich durchschaubar. Sie ist Teil einer jahrelangen Strategie zur Schwächung Europas und speziell Deutschlands als Wirtschaftskonkurrent. Wir müssen es endlich begreifen: Ein Hauptziel des Ukrainekrieges war für die Amerikaner, uns die günstige Energieversorgung zu zerstören. Spätestens seit der Sprengung von Nordstream 2 sollte das jeder begriffen haben. Und diese Strategie setzt sich jetzt mit einer Unterstützung der AFD fort. Sollte die AFD in Deutschland an die Macht kommen, würde das mit Sicherheit zu einer entscheidenden Schwächung des Wirtschaftstandorts Deutschland führen.

 

Es liegt jetzt an der kommenden Regierung zu beweisen, dass sie in jeder Hinsicht für bessere, stabilere Verhältnisse sorgen kann. Sollte das misslingen, drohen tatsächlich österreichische Verhältnisse- es sei denn, Europa lässt sich in einen direkten Krieg mit Russland hineinziehen. Dann ist ohnehin alles zu spät.

 
 
 

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