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AutorenbildChristoph Fromm

Woke - was ist richtig oder falsch?


Es ist absolut richtig, auch bei seiner Wortwahl darauf zu achten, dass andere nicht erniedrigt, ausgegrenzt oder beleidigt werden. Es sollte allerdings nicht so weit gehen, dass eine genaue, kritische, realistische Darstellung von Vorgängen oder Figuren in der Vergangenheit oder Gegenwart unmöglich wird.


Zum Beispiel kann es nicht sein, dass in einem historischen Roman keine Rassisten mehr auftreten dürfen, die andere Volksgruppen mit genau den Wörtern beleidigen, die damals üblich waren. Es geht genauso wenig, dass gegenwärtige Rassisten nicht mehr mit dem Vokabular in Werken auftreten dürfen, das sie nun eben mal benutzen. Wir werden das Problem nicht aus der Welt schaffen, indem wir es totschweigen oder negieren. Im Gegenteil! Ein solches Verhalten wird Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die dem Staat und Teilen der Gesellschaft Bevormundung bis hin zu undemokratischem Verhalten unterstellen.


Die Kunst muss frei sein, und sie muss auch frei sein in der Darstellung negativer Inhalte. Wenn ein Neonazi in deutschen Romanen in Zukunft nur noch von Schwarzen, indigenen Völkern und übermäßigen Menschen sprechen darf, wird das schlicht zur Lachnummer. Es könnte dazu führen, dass solche Figuren überhaupt nicht mehr dargestellt werden, und das wäre fatal.


Ein solches Verbot würde unweigerlich zur Geschichtsverfälschung und zur Verharmlosung der Gegenwart führen.


Dazu ein kleines Erlebnis: Ich habe in einem Band meiner Kinderbücher einen kleinen Rassisten dargestellt, der, indoktriniert von seinem Vater, einen Schwarzen in seiner Klasse beleidigt. Er lernt aber, dass er mit seinen Vorurteilen falsch liegt, blickt über seinen Tellerrand hinaus und freundet sich am Ende sogar mit dem schwarzen Jungen aus seiner Klasse an. Ich habe das Buch einigen jungen schwarzen Literaten aus Uganda gezeigt. Die fanden die Geschichte ausgezeichnet, weil endlich auch einmal in einem deutschen Kinderbuch Rassismus thematisiert würde. Gleichzeitig berichteten sie mir von dem ganz alltäglichen Rassismus, den sie während ihres kurzen Aufenthaltes in Deutschland erfahren hatten.


Wir waren uns einig, dass man nur dagegen vorgehen könne, indem man die Dinge offen und schonungslos anspricht und natürlich auch Kunst zu diesem Thema macht, die nichts beschönigt oder verharmlost.


So wichtig es für jeden von uns ist, in seiner Sprache und vor allem auch in seinem Verhalten nicht rassistisch zu sein, so ist es mindestens genauso wichtig, in der Kunst Rassismus realistisch und schonungslos darzustellen. Solange dabei auch die Folgen von Rassismus und das Ausmaß des latenten Rassismus in der Gesellschaft dargestellt werden, macht man darauf aufmerksam, dass Diskriminierung und Beleidigung immer noch sehr reale und schwerwiegende Probleme innerhalb unserer Gesellschaft sind, die in Angriff genommen werden müssen.


Und dass Rassismus nach wie vor leider zu unserem Alltag gehört, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten.

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