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AutorenbildChristoph Fromm

Der Ukrainekrieg und Moral in der Politik


Wie sind sie über ihn hergefallen, unseren Wirtschaftsminister Habeck, nachdem er es gewagt hatte, nach Khatar und in die Vereinigten Arabischen Emirate zu fliegen, um unsere Energieversorgung in der Zukunft wenigstens halbwegs zu sichern. Alle, die sich hier echauffieren, sollten sich über eine Sache klar werden:


Wenn wir nur noch mit moralisch einwandfreien Partnern Geschäfte tätigen wollen, können wir nicht einmal mehr Kuckucksuhren in der Schweiz bestellen, geschweige denn Flüssiggas aus den USA. Denn wer garantiert uns, dass nicht ein späterer Präsident à la Bush oder Trump einen neuen, völkerrechtswidrigen Krieg vom Zaun bricht?

Und auch die zukünftigen Solaranlagen in der nordafrikanischen Wüste könnten ganz schnell in die falschen Hände geraten.


Aber wir müssen nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen, auch wir sind keineswegs die demokratischen Musterknaben, als die wir uns so gerne hinstellen:

Was bedeutet Demokratie in diesem Land? Wir haben freie Wahlen, aber ändern die irgendetwas? Dieses Land wird stärker von großen, internationalen Wirtschaftskonzernen bestimmt als von der Politik, sowie den Zwängen, denen diese Konzerne auf den Weltmärkten unterworfen sind.


Das System Kapitalismus ist nicht frei, nicht einmal für diejenigen, die davon profitieren, denn die leben in ständiger Angst, ihren Platz an der Spitze zu verlieren. Da wird mit ganz harten Bandagen gekämpft, wenn nötig, auch mit Krieg.

Wenn man es realistisch sieht, befindet sich die Welt, seitdem Selbstmordattentäter zwei Flugzeuge ins World Trade Center gelenkt haben, in einem permanenten Kriegszustand. Wer es vergessen haben sollte: In Afghanistan haben die USA eine Benzinbombe gezündet, die stärkste Waffe unterhalb der Nuklearschwelle.


Im zweiten Irakkrieg sind ca. 100 000 Menschen durch den Angriff der USA gestorben, der übrigens durch unhaltbare Lügen über angebliche Massenvernichtungswaffen eingeleitet wurde. Es wurde in Georgien, in Syrien, in Mali, im Jemen und natürlich auch in der Ukraine bereits vor dem verheerenden Angriff Putins am 24.2. geschossen, verhungert, elendig gestorben.


Und immer geht es hinter der Maskerade von Religion, von benachteiligten Bevölkerungsanteilen, ja auch von Idealen wie Freiheit und Demokratie um knallharte Machtinteressen, um Rohstoffe, um Geld.

Und so ist es auch dieses Mal: Den USA war die extrem günstige Rohstoffversorgung von Teilen Europas, auch Deutschlands, durch Russland bereits seit langem ein Dorn im Auge. Also hat man Putin mit einer Osterweiterung der NATO gereizt, bis der idiotischerweise, und dafür gibt es natürlich keinerlei Entschuldigung, mit seinem nationalistischen Größenwahn in die Falle getappt ist und diesen verheerenden Krieg vom Zaun gebrochen hat. Übrigens eine ganz ähnliche Vorgehensweise wie beim ersten Golfkrieg, als die USA „Saddam“ mit der Aussage, „Kuwait ist uns nicht so wichtig“ ins Verderben lockten.


Die Verlierer im jetzigen Krieg sind in erster Linie die Ukrainer, aber auch für Russland und Europa wird dieser Krieg langanhaltende, schlimme Folgen haben.

Gewinner sind die USA, die ihr teures Frackinggas gerne an Europa verkaufen werden. Dafür kann Herr Biden Frau von der Leyen schon mal das Treppchen am Rednerpult aufbauen.


Wenn man jetzt nach einer gerechteren Weltordnung ruft, muss man sich als Allererstes klarmachen, Kapitalismus bedeutet Freiheit nur für einige wenige, ganz bestimmt nicht für die breite Mehrheit, die je nachdem, wo sie lebt, mehr oder weniger rücksichtslos ausgebeutet wird.


Aber wenn wir schon immer weniger Geld haben und möglicherweise bald in eine ernsthafte Rezession schlittern, unsere Meinung dürfen wir frei äußern, oder?

Es stimmt, man kann seine Meinung in diesem Land innerhalb der gesetzlich notwendigen Beschränkungen frei äußern, aber gehört wird sie nur, wenn man genügend Kapital besitzt, um sie zu verbreiten.


So wie ich das sehe, wird dieses Land von Netzwerken und Lobbyisten beherrscht, teilweise mit massiver staatlicher Unterstützung. Es geht nicht nach Leistung, sondern danach, wer am perfidesten seine Beziehungsstränge ölt. Und so haben wir uns zu einer Gesellschaft von Hochstaplern und Schwätzern entwickelt, zu einer Behauptungsgesellschaft, in der häufig das Gegenteil von dem getan wird, was angesagt wurde.


Und exakt so verhalten wir uns auch jetzt, wenn wir über Moral diskutieren: Es ist eine infantil naive Vorstellung, man könne sich moralisch einwandfrei verhalten und trotzdem reich sein. Das geht nicht. Handys und Computer können nicht rund um die Uhr laufen, man kann nicht in fünf Kurzurlaube im Jahr fliegen, ständig seine Kleidung und sein Mobiliar erneuern, und übrigens auch kein E-Auto der Luxusklasse fahren oder sich eine teure Solaranlage aufs Dach hauen, ohne dass nicht viele andere auf dieser Welt die Zeche dafür zahlen müssen, vor allem diejenigen, die die Rohstoffe für unsere Industrie möglichst kostengünstig bereitstellen sollen.


Was wäre die Alternative? Eine Art globaler, sozialistischer Diktatur? Mit Sicherheit nicht. Wie sagte Churchill so schön: Die Demokratie ist eine ganz schlechte Staatsform. Aber ich kenne keine bessere.

Bisher konnte man den Kapitalismus durch das, was wir soziale Marktwirtschaft nennen, in Deutschland bis zu einem gewissen Grad abmildern. Aber genau das funktioniert wegen der Globalisierung immer schlechter. Wir stehen in direkter Konkurrenz zu Staaten wie China, Indien, weiten Teilen Asiens und nicht zuletzt den USA, wo soziale Absicherung sehr viel kleiner geschrieben wird als bei uns bzw. überhaupt nicht existiert.


Unsere Industrie ist längst gezwungen, vieles in diesen Ländern zu produzieren, um international konkurrenzfähig zu sein. Dadurch sind wir allerdings sowohl für gesundheitliche wie militärische Krisen enorm anfällig. Selbst wenn wir jetzt mit aller Kraft erneuerbare Energien entwickeln, was wünschenswert wäre, darf das zum einen nicht nur eine Energieform für Reiche werden, und zum anderen werden im Kampf um alle anderen Rohstoffe, wie zum Beispiel sauberes Wasser, trotzdem gnadenlose Verteilungskriege ausbrechen, wenn hier nicht eine einigermaßen gerechte Verteilung gelingt. Aber so wie die Welt aussieht: Wer glaubt wirklich daran?


Also, was tun?


Wir können uns nur immer wieder von neuem darum bemühen, dass die Welt vielleicht ein kleines bisschen gerechter wird, mehr werden wir nicht erreichen. Dazu muss Europa weiter zusammenwachsen, eine alternative Energieversorgung entwickeln und militärisch stärker werden, um in Verhandlungen ernst genommen zu werden.


Ein gesundes Selbstbewusstsein, aber auch eine neue Ehrlichkeit sind dafür unabdingbar: Politik ist immer auch Machtpolitik und dabei macht man sich die Hände schmutzig. Es ist besser, auch zu unbequemen Entscheidungen zu stehen und die wahren Motive offenzulegen als sie mit verlogener Moral zu kaschieren.


Das was in der Kunst tödlich ist, ist in der Politik lebensnotwenig: Kompromisse.

Ob wir noch die nötigen Kompromisse finden, um zu verhindern, dass die Welt völlig aus den Fugen gerät, ist eine bange Frage, die vermutlich innerhalb der nächsten zehn Jahre beantwortet werden wird.


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