Friedensmanifest
- Christoph Fromm
- 12. Juni
- 2 Min. Lesezeit

Die Sehnsucht nach Frieden ist groß, und das völlig zurecht. Gleichzeitig verschärfen sich die Konflikte, sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten. Die Linke in der SPD hat jetzt versucht, mit einem Manifest diesen Teufelskreis zu durchbrechen und stößt auf herbe Kritik: Weltfremd, voller Denkfehler, naiv, Appeasement etc.
Leider muss man konstatieren, dass die Kritiker zumindest einen Punkt haben: Wenn man fordert, dass Europa in der Verteidigung von den USA unabhängig werden soll, kann man nicht gleichzeitig Abrüstung einfordern, im Gegenteil: Dann muss man, um der Atommacht Russland auf Augenhöhe begegnen zu können, eine europäische Nuklearstreitmacht aufbauen.
Der heikelste und entscheidende Punkt für alle weiteren Überlegungen lautet derzeit: Können wir uns weiterhin auf den nuklearen Schutz durch die USA verlassen oder nicht? Viele behaupten, „ja“, aber man wird die Befürchtung nicht los, dass das nur gesagt wird, weil es bequemer und erstmal beruhigend ist. Wenn aber „nein“, so würde dies bedeuten, dass die gesamte konventionelle Aufrüstung weitestgehend sinnlos ist und Europa stattdessen sofort damit beginnen müsste, gemeinsam eine nukleare Abschreckung aufzubauen. Zugegeben, ein hochschwieriges Unterfangen, aber wahrscheinlich der einzige sichere Weg, um in Zukunft sowohl mit unzuverlässigen USA als auch mit einem aggressiven Russland umzugehen.
Dieser Aufbau würde mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen, in denen wir mit Russland eine Politik der geschickten Diplomatie pflegen und tatsächlich versuchen sollten, durch wirtschaftliche Anreize den Expansionsdrang Russlands zumindest einzudämmen. Europa befindet sich durch die Unberechenbarkeit der USA in einem gefährlichen Zwischenstadium und eine alleine konventionelle Aufrüstung ist kein Ausweg, im Gegenteil: Sie kostet viel Geld und bringt wenig, siehe Ukraine!
Dasselbe gilt für die Wiedereinführung der Wehrpflicht: Auch wieder so eine teure Scheinlösung, die nichts bringt. Ich selbst kenne nur junge Menschen, die fest entschlossen sind, dann umgehend das Land zu verlassen, und zwar gerade junge, gutausgebildete Fachkräfte, von denen wir ohnehin viel zu wenige haben. Die Entscheidung, im Ernstfall sein Leben für die Landesverteidigung zu riskieren, muss in einer modernen Demokratie jedem Einzelnen überlassen bleiben, so unbequem das auch sein mag. Soldaten, die zwangsrekrutiert werden so wie jetzt in der Ukraine, desertieren oft bei erstbester Gelegenheit, wie an der ukrainisch/russischen Front beobachtbar.
Typisch für die deutsche Politik ist, wieder mal teure Scheinlösungen zu bevorzugen und hier müsste eine sinnvolle Opposition ansetzen. Wirkungsvolle Stärke aufbauen und gleichzeitig mit Russland über ein mögliches Kriegsende verhandeln, ist der einzige gehbare Weg. Dazu gehört auch die ketzerische Frage, ob man nicht Tausenden junger Menschen das Leben retten könnte, wenn man mit Russland jetzt über die vier Oblaste inklusive Krim verhandelt, oder ob man den Krieg weiterlaufen lassen will, bis die russischen Truppen am Dnjepr stehen. Auch das eine schwierige Frage und ohne die militärische Stärke der USA nicht zu lösen. Europa und insbesondere Deutschland hat sich durch eine verfehlte Politik in eine äußerst schwierige Lage gebracht. Eine Nibelungentreue zur Ukraine könnte ähnlich verhängnisvoll sein wie die des deutschen Kaisertums zu Österreich/Ungarn im Ersten Weltkrieg.
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