Krieg in der Literatur
- Christoph Fromm

- 16. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Als ich 2013 meine erste Lesung mit meinem Roman „Stalingrad – Die Einsamkeit vor dem Sterben“ machte, gab es Stimmen im Publikum, die sagten: Wieso nochmal das Thema Krieg? Das haben wir doch längst überwunden. In Europa wird es nie mehr einen großen Krieg geben. Zwölf Jahre später sagt das niemand mehr.
Ich gebe gerne zu, dass auch ich lange gehofft hatte, dass wir in Deutschland nie mehr Angst vor einem Krieg haben müssten – wirklich geglaubt habe ich es aber nie. Warum? Ich habe mich zu lange mit der menschlichen Psyche und dem Thema Krieg beschäftigt, um glauben zu können, dass wir einem friedlichen Jahrhundert entgegensehen. Die äußeren Gründe – wie Ressourcenknappheit, Überbevölkerung, autokratisches Machtstreben, Verschiebung der politischen Einflusssphähren – sind schnell aufgezählt.
Aber das Problem liegt tiefer. Es liegt in jedem von uns. Wir sind nicht die friedliebenden Pazifisten, die viele von uns gerne wären. Krieg als Möglichkeit liegt in jedem von uns, im einen mehr, im anderen weniger. Dafür gibt es Gründe. Als rein pazifistische Spezies hätten wir die vergangenen Jahrtausende wahrscheinlich nicht überlebt. Ein gewisses Maß an Aggression war notwendig, um zu überleben. Hinzu kommt, dass wir höchstwahrscheinlich das einzige Lebewesen sind, das sich seiner Sterblichkeit bewusst ist. Deswegen haben wir die Religion erfunden. Für unsere germanischen Vorfahren war die Todesangst, geprägt von Völkerwanderung, Krieg und Hungernot so groß, dass sie sogar ihre Götter in der Götterdämmerung sterben ließen, um eine umso machtvollere Auferstehung zu prophezeien. Aus diesen Ängsten ist die bekannteste deutsche Sage entstanden. Die Nibelungen.
In ihr wird der Mythos vom Untergang, vom bewussten Marschieren in den Tod, erzählt. Die Nationalsozialisten haben diesen Mythos unter anderem in Stalingrad auf das Übelste instrumentalisiert. Herrmann Görings Rede nach dem Untergang der 6. Armee – gekrönt mit dem Zitat: „Wanderer, kommst du nach Sparta, so erzähle, du habest uns dort liegen sehen, wie das Gesetz es befahl.“ – ist nur ein berühmt-berüchtigtes Beispiel.
Aber die Lust am Untergang, an der Selbstzerstörung ist viel älter als der Nationalsozialismus und tief im Unterbewusstsein der Deutschen verankert, unter anderem durch das Trauma des Dreißigjährigen und des Ersten Weltkriegs. Eigentlich sollten wir spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg unsere Lektion – Nie wieder Krieg! – gelernt haben. Aber die Geschichte lehrt auch, wie vergesslich die Menschen sind. Und für mich als Schriftsteller war es ebenso interessant wie erhellend, den Untergang der 6. Armee in Stalingrad so realistisch wie möglich zu beschreiben und anschließend dem Mythos, der zu diesem Untergang beigetragen hat, in der Nibelungensage nachzuspüren, indem ich sie in eine dystopische Zukunft verlegt habe.
Ich hoffe, ich habe euer Interesse geweckt und ihr kommt am 6. November um 18.30 Uhr in die VHS Laupheim (König-Wilhelm-Str. 35), um mir zuzuhören und mit mir über dieses Thema zu diskutieren.
Alle weiteren Infos findet ihr unter: https://www.vhs-laupheim.de/programm/kw/bereich/kursdetails/kurs/AO2403/kursname/Lesung%20Wie%20Krieg%20Menschen%20veraendert%20Geschichten%20aus%20Vergangenheit%20und%20Zukunft/kategorie-id/4/




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