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Schön war´s - Erfahrungsbericht einer privaten Lesung

Private Lesung - wie das schon klingt! Hat beinahe etwas Anrüchiges, wie die Vorleserin, die intellektuelles Vergnügen mit erotischer Dienstleistung kombiniert. Nun, soweit war es in meinem Wohnzimmer noch nicht, aber wer jetzt gelangweilt die Lektüre beendet, ist selbst schuld.


Es waren 14 Leute gekommen, 14 Leute, die nicht krank waren, die sich nicht von der Kälte draußen abschrecken ließen, die sich nicht damit begnügten, mein Buch für 3,99 € im Internet herunterzuladen, 14 Leute, die in meinem Wohnzimmer den persönlichen Kontakt zum Autor suchten. Als ich 2006 meinen ersten Roman "Die Macht des Geldes“ heraus brachte, hatte ich noch große Probleme, selbst vorzulesen. Ich überließ das lieber befreundeten Schauspielern, die das viel besser konnten als ich. Mittlerweile lese ich gerne vor, auch wenn ich kein besonders guter Vorleser bin. Aber ich glaube, dass ein Autor - wenn er die anfängliche Furcht ablegt und ein wenig übt - seinen Text auf eine unverwechselbare Art und Weise vorliest. Natürlich entdeckt man auch als Autor seine Lieblingsstellen, und natürlich ist es besonders schön, wenn das Publikum an genau diesen Stellen mitgeht. Wenn nicht, muss man sich fragen, ob man etwas falsch gemacht hat. Dann kommt man entweder zu dem Schluss, das nächste Mal nach einer anderen Lösung zu suchen, oder man stellt sich selbstbewusst hinter seinen Text und sagt: Das habe ich so gewollt, dazu stehe ich! "Amoklauf im Paradies“ ist ein Text, bei dem eher das leise Lächeln als das laute Lachen hervorgerufen wird. Bei dieser Lesung war für mich besonders schön, immer wieder dieses leise, für mich so wertvolle Lächeln bei einer Zuhörerin in der ersten Reihe entdecken zu können. So etwas macht Mut, gibt Selbstsicherheit und so etwas pflanzt sich im gesamten Raum fort. Lesungen sind ein schönes Beispiel dafür, wie sehr sich Stimmungen in einer Gruppe durch Kleinigkeiten verändern. Das besondere an einer privaten Lesung ist natürlich das Beisammensein danach. Die Leute gehen viel ungezwungener auf einen zu, stellen Fragen, zeigen Interesse. Man ist nicht zeitlich limitiert, sondern lässt den Abend in einem gemeinsamen Fest ausklingen, das durch die Lesung auf ganz besondere Art und Weise begonnen hat. Interessant ist immer wieder, wie sehr das Interesse der Zuhörer durch ihre eigenen Erfahrungen bestimmt wird. Wer Kinder hat, erkundigt sich besonders intensiv nach dem Vater-Tochterverhältnis zwischen Erwin und Nadja, wer selbst zum Fischen geht, interessiert sich vor allem für Erwins manische Angelleidenschaft und Bengts selbstverständlichen Umgang mit der Natur. Und natürlich werde ich immer wieder gefragt, ob es einen Zusammenhang gibt, zwischen den Kunststudenten in meinem Buch und den Filmstudenten, die ich seit vielen Jahren unterrichte. Es war wirklich ein schöner Abend und er hat mir wieder einmal gezeigt: Direkte zwischenmenschliche Kontakte sind durch nichts zu ersetzen. Danke an alle, die da waren und diesen Abend bereichert haben. Es war bestimmt nicht meine letzte private Lesung!  

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