Es wirkt beinahe rührend, teilweise auch selbstgerecht und vermessen, mit welchen Argumenten man sich in deutschen Talkshows immer noch wegen des Krieges in der Ukraine beharkt. Neben handfesten Unwahrheiten, wie zum Beispiel, die Ukraine sei eine funktionierende Demokratie und verteidige dort auch unsere Demokratie und Freiheit. In Wirklichkeit steht die Ukraine in der Liste korrupter Staaten auf Rang 142, es wird massive Zensur ausgeübt und Männer unter 60 Jahren dürfen das Land nicht verlassen. Außerdem wird die immer gleiche Litanei wiederholt, wir müssten noch mehr Waffen liefern, damit die Ukraine den Krieg gewinnen, oder zumindest nicht verlieren kann – bereits da scheiden sich die Geister.
Dabei gerät aus dem Blick, dass das Interesse der USA an diesem Konflikt merklich nachgelassen hat.
Kein Wunder: Ihr Hauptziel, die europäische und speziell die deutsche Energieversorgung zu zerstören, haben sie längst erreicht. Es gibt neue Recherchen des amerikanischen Journalisten Hersh, wonach die USA tatsächlich für die Sprengung von Nordstream 2 verantwortlich seien – Beweise stehen noch aus, wundern würde es einen nicht. Bezeichnenderweise findet diese Nachricht ihren Weg nicht in die öffentlich-rechtlichen Medien, die Haltung der Regierung in der Nordstream-Frage ist jämmerlich feige, man hat offensichtlich nicht das geringste Interesse an Aufklärung. Im Gegenteil, man fürchtet sie, denn dann müsste man irgendwie gegenüber den amerikanischen Freunden Stellung beziehen.
So wundert es auch nicht, dass es bislang keine erkennbaren Anstrengungen für eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg gibt - es ist zugegebenermaßen auch schwierig. Die Chance für einen Waffenstillstand wurde im Frühjahr 22 von England und den USA hintertrieben, seitdem ist der Krieg in einer Weise eskaliert, die Friedensverhandlungen äußerst kompliziert macht.
Das Haupthindernis besteht darin, dass die USA ihr Augenmerk längst auf die Auseinandersetzung mit China gerichtet haben. Putin wäre aber nur mit chinesischem Druck zu einer vernünftigen Verhandlungslösung bereit, denn dorthin verkauft er mittlerweile einen Großteil seiner Rohstoffe und bezieht höchstwahrscheinlich im Gegenzug Waffen und Spitzentechnologie. Das bedeutet, Europa müsste China erstmal eine Verhandlungslösung mit Putin schmackhaft machen, zum Beispiel durch wirtschaftliche Zugeständnisse. Dagegen stehen aber die USA, die China in jedem Fall wirtschaftlich schwächen wollen und sich auch hier die militärische Option offen halten. Der Kampf um die Halbleitertechnik ist längst eröffnet. Ein Verhandlungstisch mit den USA, China, Europa, Russland und der Ukraine ist deshalb im Augenblick nur schwer vorstellbar.
Die Alternative aber ist furchtbar: Sie bedeutet einen weiteren, jahrelangen Abnutzungskrieg mit der ständigen Gefahr, dass Putin, sollte er die Krim verlieren, doch noch zur Atombombe greift.
Sollte es so weit kommen, wird Putin in einem Atombunker im Ural sitzen, und auch die amerikanische Regierung wird weit weg sein. Wer in jedem Fall restlos ausgelöscht werden wird, ist Europa. Deswegen müsste es eigentlich im Interesse der Europäer liegen, die bereits bestehenden und die noch drohenden Konflikte in den Griff zu bekommen.
Das bedeutet, es müssen so rasch wie möglich alle an einen Tisch, und dort muss die Welt diplomatisch neu geordnet werden. Es bedeutet ausdrücklich nicht, dass die Ukraine kapituliert, und es bedeutet auch, dass Waffenlieferungen erst dann eingestellt werden, nachdem es zu einem Waffenstillstand gekommen ist.
Russland muss begreifen, dass es die Ukraine als Staat respektieren muss – über mögliche Gebietsaufteilungen kann man sich sicher verständigen – die NATO muss akzeptieren, dass es keine Mitgliedschaft der Ukraine geben wird und auch keine Atomwaffen in der Ukraine. Die Ukraine muss umfassende Sicherheitsgarantien bekommen, am besten auch von China. Eine solche Lösung würde auch dem Blockdenken entgegenwirken, das unweigerlich in neue militärische Auseinandersetzungen führen wird. Wir sollten endlich begreifen, dass wir eine Welt sind und dass wir gemeinsam die großen Probleme Klima, Überbevölkerung, Hunger und Seuchen lösen müssen, anstatt uns in sinnlose Kriege zu verzetteln, an denen letztendlich nur die Waffenindustrie verdient.
China muss einsehen, dass es die USA wirtschaftlich nicht weiter in die Ecke drängen darf, und im Gegenzug müssen die USA akzeptieren, dass China eine gleichberechtigte Großmacht geworden ist. Beide müssen akzeptieren, dass die Konflikte, auch um Taiwan, auf keinen Fall militärisch zu lösen sind.
Vernunft wäre gefragt – es ist wenig davon zu sehen.
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