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Was ist links, was rechts?


Nachdem wohl kaum noch jemand das Modell des Kommunismus hochhalten will, verständigen sich die meisten, die sich links nennen, auf einen demokratischen Sozialismus. Der beinhaltet den Abbau von sozialer Ungleichheit, ohne Schlüsselindustrien zu verstaatlichen – vielleicht abgesehen von der Deutschen Bundesbahn, bei der aber höchstwahrscheinlich nicht einmal mehr Verstaatlichung hilft. Er beinhaltet ebenso eine möglichst pazifistische Grundhaltung, das heißt, es dürfen keine Kriege außer Selbstverteidigungskriegen geführt werden. Außerdem natürlich eine Wahrung der Menschenrechte, zu denen auch das Recht auf individuelles Asyl zählt.


Das hört sich in der Theorie wunderbar einfach an, in der Praxis stoßen diese Definitionen aber sofort an viele Grenzen.


Soziale Ungleichheit abbauen ist wunderbar – aber wenn dadurch der Staat in immer mehr Schulden versinkt, die irgendwann zurückgezahlt oder per Schuldenschnitt aufgehoben werden müssen, ist die daraus resultierende soziale Ungerechtigkeit noch viel größer.

Wann ist ein Krieg ein Selbstverteidigungskrieg? Viele meinen, die Ukraine sei ein sehr eindeutiges Beispiel – und es stimmt, der brutale Überfall Russlands ist durch nichts zu rechtfertigen. Eine Erklärung, keine Rechtfertigung, bietet allerdings die Tatsache, dass die Ukraine Mitglied der NATO werden will und Russland das aus seiner machtperspektivischen Sicht nicht dulden wird. Montesquieu hat einmal gesagt, man müsse unterscheiden zwischen denen, die Kriege beginnen und denen, die sie vorbereiten. Auch ein Selbstverteidigungskrieg kann instrumentalisiert werden – das sollte man bei der Beurteilung der Lage nicht vergessen.

Die Wahrung der Menschenrechte, damit ist der Sozialismus untrennbar verknüpft – aber auch dieses Grundrecht stößt jetzt angesichts von einer immer weiter anwachsenden Zahl von Asylbewerbern an seine Grenzen.


Was also ist heutzutage linke Politik, wenn sie nicht in Selbstzerstörung enden soll? Ist es überhaupt noch sinnvoll, in den Kategorien links und rechts zu denken? Es gibt nicht wenige, die sagen, für sie gibt es nur noch gute und schlechte Politik. Aber auch das sind am Ende relative Begriffe. Gut für wen? Für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung? Ist es sinnvoll, der Bevölkerung jetzt große Opfer zuzumuten, um in zehn Jahren die Transformation erfolgreich gestaltet zu haben? Und wird das funktionieren? Auch eine solche Politik wäre viel leichter mehrheitsfähig, wenn sie vernünftig gemacht würde, das heißt, wenn man immer erst ein System, wie z.B. die Atomkraft abschalten würde, wenn ein neues, fertig gebautes und erprobtes System zur Verfügung stünde.


Klar ist, dass die deutsche Bevölkerung das Vertrauen in die Programme der Linken, der SPD, der Grünen verloren hat. Die Linken haben sich in destruktiven Machtkämpfen restlos zerlegt, die SPD und die Grünen haben mit ihrer Politik das Land an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs gebracht. Aber war das linke Politik?


Nein, es war eine realitätsverweigernde, moralistische, dilettantische Politik, die nichts mit der Tradition der Linken zu tun hat. Kein anderes Land hat seine Energieversorgung so hingebungsvoll geopfert wie Deutschland, auch keines innerhalb der NATO. Mit linker Politik hat das höchstens insoweit zu tun, als die Linke traditionell dazu neigt, idealistische Wunschvorstellungen in der Politik zu verwirklichen. Ich glaube, dass es in diesem Fall viel mehr mit dem deutschen Nationalcharakter zu tun hat, der dazu neigt, oberlehrerhaft die Welt verbessern zu wollen.


Pragmatische sozialdemokratische Politik, z.B. unter Helmut Schmidt, sah völlig anders aus. Schmidt leitete damals die Energieversorgung aus der Sowjetunion ein, trotz Widerstands der USA. Und er hätte sich, das traue ich mich zu sagen, niemals dem amerikanischen Druck gebeugt und die deutsche Wirtschaft von ihrer wettbewerbsfähigen Energieversorgung abgeschnitten. Er hätte Putin scharf kritisiert, sich an Sanktionen beteiligt, die Ukraine mit Waffen unterstützt, aber er hätte niemals Deutschland vom russischen Gas abgeschnitten. Wer behauptet, das gehe nicht, sehe sich Japan an. Und er verfolge die russische Pipeline, über die nach wie vor Gas in die Ukraine! nach Polen und Südeuropa fließt und die von den Russen anstandslos versorgt wird.


Man sieht, wie unwichtig, gerade in der jetzigen Extremsituation, die Etiketten links und rechts werden. Es kommt darauf an, eine vernünftige Politik zu machen, die der Mehrheit der deutschen Bevölkerung eine Lebensgrundlage bietet und dazu gehört eine funktionierende, wettbewerbsfähige Wirtschaft.


Unverantwortlich wird es allerdings, wenn man einer Linken wie Sarah Wagenknecht unterstellt, sie mache identische Politik wie die AfD. Der Versuch, rechts und links gleichzusetzen, verleiht diesen Etiketten natürlich wieder enorme Sprengkraft. Ein Argument wird nicht notwendigerweise rechtsradikal, weil auch Rechtsradikale es verwenden. Argumente auf diese Art und Weise zu diskreditieren ist falsch und schadet jeder sachlichen Diskussion. Wenn links und rechts nur noch als Schubladen dienen um im medialen Machtpoker den anderen niederzumachen, haben sie ihre Bedeutung verloren. Dann wäre es viel wichtiger, sie durch Begriffe wie demokratisch und undemokratisch zu ersetzen.


Und hier gelangen wir an einen weiteren zentralen Punkt. Der unsägliche Satz von Aiwanger, „die schweigende Mehrheit müsse sich die Demokratie zurückholen“, verhindert, dass über das eigentliche Thema diskutiert wird: Soll unsere repräsentative Demokratie durch eine direktere Form ersetzt werden, in der Meinungsumfragen direkt politische Entscheidungen bestimmen, wie z.B. in der Schweiz?


Wenn ich mir das gegenwärtige, aufgeheizte Klima in Deutschland ansehe, halte ich das für gefährlich. Meinung kann heutzutage, gerade über die sozialen Medien, sehr schnell und massiv manipuliert werden und diese Mittel würden noch viel radikaler eingesetzt werden, wenn Umfragen direkt zu politischen Entscheidungen führen würden. Diese Art der Demokratie droht uns allerdings, wenn die Mehrheit der Bürger sich dauerhaft durch die repräsentative Politik nicht mehr repräsentiert fühlt.


Vielleicht wäre eine Lösung, auf kommunaler Ebene mehr direkte Demokratie einzuführen. Das könnte man zumindest mal sachlich diskutieren, ohne es gleich wieder als die Einführung einer linken Räterepublik zu brandmarken.


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