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Russland - Irak 2.0?


Die Revolte der Wagner-Söldner unter Prigoschin gibt natürlich zu allen möglichen Spekulationen Anlass. Einig sind sich die meisten deutschen Diskussionsteilnehmer, dass die Revolte eine enorme Schwäche Putins offenbart hat. Das mag stimmen – die Rückschlüsse, die in deutschen Diskussionsrunden wie neulich bei Anne Will gezogen werden, sind allerdings gespenstisch. Dort wird uns jetzt allen Ernstes von sogenannten Expert*innen eingeredet, wir sollten ja keine Angst vor einem Zerfall Russlands haben, denn schlimmer als unter Putin könne es ohnehin nicht mehr werden. Und ganz nebenbei wird dann auch noch vorgeschlagen, die Ukraine noch während des laufenden Krieges in die NATO aufzunehmen.


Sind diese Leute noch bei Trost?


Sollte Russland unter dem Druck des Krieges und der Sanktionen tatsächlich in Teilbereiche zerfallen, schlimmstenfalls unter der Herrschaft von Warlords wie Prigoschin oder Kadyrow, (wohlgemerkt dann im Besitz von Nuklearwaffen), so wäre das für Europa ein absolutes Horrorszenario. Dass das jetzt verharmlost und sogar als Chance für eine neue Weltordnung schöngeredet wird, zeigt, wie ernst es US-Verteidigungsminister Austin mit seinem Satz: „Wir müssen Russland so sehr schwächen, dass es nie mehr eine Gefahr für seine Nachbarn darstellen kann“ gemeint hat. Ganz offensichtlich gibt es in Teilen der amerikanischen Regierung und durchaus auch in NATO-affinen Thinktanks die Zielvorstellung, Russland in eine Art neuen Irak zu verwandeln. Tatsächlich wird von diesen Leuten behauptet, die Codes zu den Atomwaffen seien den entsprechenden Warlords im Zweifelsfall unbekannt, es bestehe deshalb keine nukleare Gefahr.


Wer auf diesem Niveau argumentiert, stellt ein größeres Sicherheitsrisiko für Europa dar als die gesamte Streitmacht Putins.


Es gibt viele Indizien dafür, dass Putins Herrschaft jetzt Risse bekommt – an einen gigantischen Bluff, um die Wagner-Söldner für einen neuen Angriff von Belarus aus umzugruppieren, glaube ich auch nicht – aber die richtige Reaktion wäre dann, auf die USA und China einzuwirken, Putin und die Ukraine endlich an den Verhandlungstisch zu bringen. Es müsste einem geschickten Diplomaten möglich sein, Putin klarzumachen, dass die Fortführung des Krieges ein immenses Risiko für ihn und sein Land bedeutet. Ich bin relativ sicher, dass Putin sich diesem Argument, wenn es vernünftig vorgetragen würde und eben nicht auf einen Diktatfrieden – weder für Russland noch die Ukraine – hinausläuft, nicht verschließen würde.

Aber man hat leider das deutliche Gefühl, diese Verhandlungen werden nicht gewollt. Das Szenario, Russland zu zerstören, zu zerteilen, scheint lukrativer. Und dafür ist man offensichtlich bereit, das nukleare Risiko in Kauf zu nehmen.


Das ist absolut unverantwortlich!

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